Ende des 16. Jhds. stand der gebürtig aus Mailand stammende Kutscher Costantino Allegri in Diensten der römischen Familie Patrizi/Crescenzi. Er bekam drei Söhne: Gregorio, Domenico und Bartolomeo, von welchen sich vor allem die beiden ersten später als Sänger und Komponisten hervortaten. Besondere Berühmtheit erlangte Gregorio Allegri, welcher 1629 und bis zu seinem Tode als Sänger und Komponist des Päpstlichen Chors der Sixtinischen Kapelle wirkte. Sein "Miserere mei" ist wohl auch auf Grund seiner bewegten Rezeptionsgeschichte bis heute eines der bekanntesten Werke der liturgischen Chorliteratur. Zu Lebzeiten galt er als ein wichtiger Vertreter im Erbe des römischen Stils Palestrinas. Ebenfalls hervorzuheben ist seine Beteiligung an der musikalischen Bearbeitung der lateinischen Hymnen, welche durch Papst Urban VIII. veranlasst wurde, der Allegris Werke sehr schätzte.
Kurz bevor Gregorio seine Stelle in der Sixtinischen Kapelle antrat, verstarb jedoch im September 1629 sein Bruder Domenico, seines Zeichens maestro di cappella an der Kirche S. Maria Maggiore. Von ihm kennen wir bis heute nur eine einzige Motetten-Komposition, erhalten in Modi quos expositis in choris (1617) für zwei Chöre und Instrumental-Begleitung, was damals noch durchaus ungewöhnlich war. Andere Werke gelten bis heute als verschollen. Domenico hinterließ fünf Kinder, darunter den Sohn Carlo Antonio (*23.12.1618). Es ist anzunehmen, dass neben seiner Wittwe Virginia Vanni auch sein Bruder Gregorio für die Neffen und Nichten sorgte, Carlo Antonio kam dabei wohl eine besondere Bedeutung zu, denn letztlich wurde auch er Musiker ("di professione musico ed organista") und könnte möglicherweise Unterricht von seinem Onkel erhalten haben. Als Gregorio Allegri 1652 kinderlos starb, hatte er testamentarisch seine Schwester Bianca zur Alleinerbin eingesetzt und im Falle ihres Todes verfügt, dass sein gesamter Besitz "...istitutì eredi de luoghi de Monti e denari le figlie femine, nate, e da nascare da Carlo Allegri Suo nipote", also sein gesamtes Erbe alleinig an die weiblichen Nachkommen Carlo Antonio Allegris fallen sollte (zit. n. S. Serangeli, 1708, A. Serangeli, 2000).
Dies sollte sich einstellen, denn Carlo Antonio Allegri heiratete in den 1650er Jahren die wohlhabende Enkeltochter des Montefortinischen Ratsherren und Klerikers Claudio Antonio Mele, Margherita Fonti. Die Familie Mele zählte Ende des 16. Jhds. zu den vermögendsten Familien Montefortinos: Claudio Mele pachtete für 12.000 scudi jährlich von Kardinal Odoardo Farnese die Abtei von Grottaferrata sowie deren Ländereien, er besaß Landwirtschaft und Weinberge sowie einen Palazzo. Aus Carlo Allegris Ehe mit Margherita Fonti gingen drei Kinder hervor: Gregorio (benannt nach seinem Großonkel), Cav. Domenico Paolo Allegri (benannt nach seinem Großvater) und - als Erbin Gregorios - Giovanna Allegri (*31.10.1659, Rom).
In Rom ist Carlo Allegri noch bis 1662/63 als Organist nachgewiesen, im April 1662 taucht er in den Rechnungsbüchern des Seminario Romano der Kirche Il Gesù auf, wo er für 50 Biaocchi den verhinderten Bonifazio Graziani ersetzt (Shigihara, 1984). Die vorteilhafte Verbindung zur Familie Mele/Fonti mag mit einer der Gründe gewesen sein, weshalb er von Rom nach Montefortino zog, denn dort besaß seine Frau noch immer einen Teil des Palazzo de Mellis. Hier wirkte Carlo Antonio u.a. als Musiker an der Kathedrale von Segni, wo er im Jahre 1666 nachgewiesen ist (Serangeli, 2000).
Mit 20 Jahren heiratete seine Tochter Giovanna Allegri den Notar Stefano Serangeli, ihr Besitz, welcher inzwischen um das Erbe Gregorio Allegris erweitert wurde, war beträchtlich: In die Ehe brachte sie Teile des Palazzo de Mellis samt Mobiliar, ein wertvolles zweimanualiges Cembalo ihres Vaters (Serangeli mutmaßt, es könnte noch aus Rom stammen) sowie eine Mitgift von 1206 scudi, eine enorme Summe für damalige Verhältnisse.
Giovanna Allegri starb am 21.3.1717, wenige Generationen später starb die Linie Serangeli-Allegri aus. Über Nachkommen von Giovannas Geschwistern ist nichts bekannt, 1708 wird noch von einem Sohn Domenico Paolos berichtet: Giovanni Vincenzo Allegri, dieser hatte aber vermutlich keine Kinder. Ihr Bruder Gregorio, welcher Soldat war, starb 1708 kinderlos in Neapel.
Eine interessante Beobachtung lässt sich für das Jahr 1686 anstellen, als in Rom am 29. März Giovanni Francesco Jacobelli stirbt, der Sohn des ehemaligen Montefortinischen Stadthalters Rutilio Jacobelli. Dott. Rutilio Jacobelli - verheiratet mit der ebenfalls sehr wohlhabenden Claudio-Mele-Tochter Felicia und dadurch Mitbesitzer/Bewohner des Palazzo de Mellis - wurde am 8. Juli 1627 bei einem Hinterhalt durch einen Musketenschuss ermordet. Der dadurch zum Halbweisen gemachte Giovanni Jacobelli bestimmte testamentarisch ausschließlich die männlichen Kinder Carlo Allegris zu seinen Alleinerben, nachdem das üppige Erbe Gregorio Allegris zuvor nur Carlos weibliche Kinder begünstigt hatte. Dies zeigt, wie weitreichend sich die Allianzen zwischen den Mele- und Allegri-Nachfahren selbst über mehrere Generationen und Grade hin erstreckten.
(Abbildung oben: Testament der Giovanna Allegri)
Stammbaum der Allegri in Montefortino.
Recherche: Marcus Caratelli, vielfacher Urgroßneffe Giovanna Allegris.
Literaturhinweise:
Alfredo Serangeli: Della Terra di Montefortino feudo dell'Ecc.ma Casa Borghese -
Il "notaro publico" Stefano Serangeli - storico e letterato (1654 - 1730), Artena, 2000.
Bertrand Forclaz: La famille Borghese et ses fiefs : l'autorité négociée dans l'État pontifical d'Ancien Régime, Rom, 2006.
Kerstin Helfricht: Gregorio Allegri: Biographie, Werkverzeichnis, Edition und Untersuchung
zu den geringstimmig-konzertierenden Motetten mit Basso continuo (2 Bde.), Tutzing 2004,
(Frankfurter Beiträge zur Musikwissenschaft, 30).